: „Nichts ist golder als Platz 1“
Aufstieg und Abgang: Erik Meijer, 36, Alemannia Aachens niederländischer Kapitän, beendet nach 18 Jahren seine Profikarriere. „Alemannia war der Höhepunkt“, sagt er – trotz Ronaldo und Anfield Road
taz: Wie geht es Ihnen, Herr Meijer?
Erik Meijer: Danke, ja. Vor uns steht frischer Kaffee, lecker Kuchen. Da geht‘s mir gut.
Ich vermute einen Zwiespalt zwischen Aufstiegsfreude und Wehmut. Sie hören schließlich auf!
Ja, schon. Aber es ist ein sehr schöner Moment, um einen schönen Teil des Lebens zu beenden. Ich bin 36 Jahre alt, war 18 Jahre im Profifußball, also die Hälfte meines Lebens. Und da ist es überragend, wenn man mit dem letzten Verein noch einmal seine Künste zeigt und mit den Künsten in die höchste Liga aufsteigt. Ich bin in guter Balance. Traurig bin ich nicht. Ich habe die Entscheidung schon im August getroffen. Das war immer so: I did it my way.
Erik Meijer, ein Frank Sinatra des Fußballs.
Oh, der Mann hat gute Musik gemacht, und ich hoffe, dass ich dem Fußball auch etwas gegeben habe – auf meine Art.
Und es geht nicht mehr? Im Vorjahr haben Sie gesagt: Ich würde so gern noch eine Abschiedstournee durch die WM-Stadien machen.
Aber das Problem war, wir sind voriges Jahr nicht aufgestiegen.
Die tollen Stadien sind noch da...
Ja, aber es ist genug. Die Knochen tun weh, seit Jahren. Das Uefa-Pokaljahr hat viel Kraft gekostet: Drei Monate habe ich da mit Bänderriss gespielt, viele Tabletten, andauernd Behandlungen. Jetzt ist es schön, auf einem Höhepunkt aufzuhören.
Als Alemannia Aachen im Mai 1970 abstieg, da konnten Sie noch nicht laufen – richtig?
Oh, ich war sehr früh dran. Ich bin von August 1969 ..., – nein, das hab ich doch nicht geschafft. Ja wirklich, eine sehr lange Zeit. Jetzt kann der Verein wieder Geschichte schreiben. Da bin ich stolz, als Kapitän die Mannschaft dahingeführt zu haben. Und ich bleibe ja hier, viele haben von links und rechts an mir gezogen – von Wirtschaftsunternehmen bis zu anderen Vereinen. Aber warum soll ich weggehen, wo ich mich so wohl fühle. Ich werde Jörg Schmadtke (dem Sportdirektor, d.R.) und anderen hier erst mal über die Schulter gucken. Marketing, Management, mal sehn.
36 Jahre hat Alemannia gewartet, dann plötzlich 15 Punkte in 18 Tagen, und die Sache war durch. War das nicht überraschend leicht?
Die größte Überraschung war, dass wir zuletzt nicht gut gespielt und trotzdem alles gewonnen haben. Wir haben uns immer als ein Team verstanden, jeder war immer ein Teil von alle Jungs. Und jeder hatte immer das Gefühl, er gehört dazu, auch wenn er nicht gespielt hat. Wir hatten alle großen Respekt untereinander. Das hat uns stark gemacht dieses Jahr.
Dazu gehörte auch, dass Sie mal freiwillig ausgesetzt haben.
Ich habe zum Trainer gesagt, die Batterie ist etwas leer. Mein Körper hat gesagt, es geht nicht mehr drei Mal nacheinander 90 Minuten. Und wir haben doch genug andere Leute hier herumlaufen, die auch bezahlt werden. Da ist eben Marius Ebbers für mich gekommen und hat pausenlos Tore gemacht zum Aufstieg (zuletzt 8 in 5 Spielen, d.R.). Ich hoffe nur, niemand vergisst in der Bundesliga, dass wir nur Alemannia Aachen sind. Wir arbeiten nur mit Kleingeld, um andere ärgern zu können. Wir haben uns als Kultverein in den letzten drei Jahren sehr gut aufgebaut, wir kriegen tolle Response aus ganz Deutschland, dass viele mit viel Respekt über uns sprechen. Aber der Unterschied in der ersten Liga wird groß sein: Geld hat Macht, und kein Geld hat zu kämpfen.
Da spricht schon der kommende Marketingmann Meijer.
Ja? Ich werde viel Spaß am neuen Job haben. Wenn es keinen Spaß macht, höre ich auf. Die Luxusposition habe ich.
Der Aufstieg ging plötzlich so leicht, aber genau da haben Sie einen Tinitus bekommen. Das gilt als Stresssymptom.
Nein, ich habe das Piepen im Ohr schon zehn Jahre. Es ist nur auf einmal schlimmer geworden. Aber es kann auch sein, sagen die Ärzte, dass es an meinen drei schiefen Nackenwirbeln liegt oder dass man sich das bei einem Kopfball holt. Und davon hatte ich in den 18 Jahren ja einige. Aber ich gehe noch nicht gebückt und bin auch noch nicht ganz durcheinander im Kopf.
Haben Sie schon Bilanz des Fußballlebens gezogen?
Ach, da war so viel. In Eindhoven habe ich mit Ronaldo zusammen spielen dürfen, als der mit 17 zum PSV kam. Ich mach gerade eine DVD, da ist dabei: Flanke vom kleinen Ronaldo, Kopfballtor Erik Meijer, sehr schön. Mit Uerdingen hab ich noch Bundesliga gespielt – das können nicht mehr viele sagen heute. Danach Leverkusen: eine Superzeit, Champions League, Uefa-Cup, zweimal Zweiter.
Und die Nationalmannschaft?
Oh ja. Ein Spiel für Oranje. Ungeschlagen. 6:0 gegen San Marino. Ich hätte die Zahl gern verdoppelt, aber ich komme aus einem Land mit vielen guten Mittelstürmern. Aber vor allem waren da noch als wirkliches Geschenk die eineinhalb Jahre Liverpool, mein Lieblingsverein. Da war vorne auch viel Konkurrenz: Robbie Fowler, Emile Heskey, Michael Owen. Ich war achtmal in der Startelf, wir haben nie verloren. Nicht schlecht, oder? Liverpool ist die Hölle, wunderbar. Wenn ich heute irgendwo You‘ll never walk alone höre, gehen mir immer noch die Haare hoch. Und dann kamen noch HSV drei Jahre. Hamburg ist nach Rom die schönste Stadt, die ich kenne. Und als absoluter Höhepunkt: drei Jahre Alemannia Aachen. Besondere Jahre. Als ich hierher kam, hat Jörg Schmadtke gesagt, Geld gibt‘s hier nicht viel. Da hab ich gesagt, wenn ich jetzt noch nicht genug Kohle verdient hätte, ja, dann habe ich doch etwas falsch gemacht. Ich wollte Fußball spielen. Und hab einen Riesenspaß gehabt hier, viel erreicht, Pokalfinale, die Uefa-Pokalrunde. Andere Spieler sind hergekommen, weil ich hier war. Ein Schneeballsytem.
Tollster Moment war das Siegtor gegen die Bayern im Pokalviertelfinale 2004?
Das war der emotionalste Moment. Weil mein Vater, der mein größter Fan ist und immer im Stadion, zwei Tage vorher den Herzinfarkt hatte. Ich wusste dass er trotzdem im Krankenhaus den Fernseher anhat und der Motor noch was schneller schlägt. Am Abend vorher habe ich gesagt, wenn du nicht kommst, muss ich für dich das Siegtor machen. Und so kam es dann aus. Das war überwältigend.
Sie haben nie einen Titel geholt und konnten dadurch die deutsche Sprache um den wunderbaren Satz bereichern: „Nichts ist scheißer als Platz 2.“
Ja, das kam noch aus Leverkusener Zeit. Jetzt steigen wir auf. Nichts ist golder als Platz 1.
INTERVIEW: BERND MÜLLENDER